Motto

"Journalismus heißt, etwas zu drucken, von dem jemand will, dass es nicht gedruckt wird. Alles andere ist Public Relations."
(George Orwell)

Samstag, 24. März 2012

Zielgruppen und linke Öffentlichkeitsarbeit

Wen wir alles erreichen wollen - und mit welch cleveren Mitteln wir das Ziel manchmal verfehlen

von (c) Reinhard Heinrich 

Vorrede

Jede Partei ist natürlich die Beste - das kann man auf jedem Wahlplakat lesen - sowie in eigenen und/oder nahestehenden Publikationen. Da sind alle gleich. DIE LINKE macht da keine Ausnahme. Unterschiede hingegen gibt es merkwürdigerweise bei Wahlergebnissen. Da gibt es eigentlich nur Ausnahmen. Jede Partei (fast jede) interpretiert ihre schwindende Akzeptanz mit den unglücklichen Umständen, die zufällig gerade auftraten, als der Wähler sich so falsch entschied. Und dann wird eine Auswertung angesetzt - nach diesen ersten, "in der Kürze der Zeit notwendigerweise unvollständigen" Wertungen und Schlussfolgerungen. Und wenn die genannte "Kürze der Zeit" vorbei ist, der politische Alltag herrscht, dann geschieht es: Das stabile Nichts, das uns über die Legislaturperiode trägt.

Erfolgreiche Parteien wissen das natürlich alles schon - es hat daher keine Zweck, die folgenden Bemerkungen ihnen hier zu verheimlichen. Damit bleibt nur der Schluss: (Politik-)Marketing interessiert kein Schwein.

Was wir über Politik-Marketing wissen sollten

Beim Beschäftigen mit den Grundlagen des Stadtmarketings fällt auf:
Zielgruppen des Stadtmarketings sind (lt. Wikipedia) - in genau dieser Reihenfolge:
  1. Einwohner einer Stadt. Als Zielgruppe des Stadtmarketings beinhaltet diese die in der Stadt lebenden Bürger sowie potenzielle Bürger. 
  2. Unternehmen und potenziell ansiedlungswillige Unternehmen sind die zweite Zielgruppe. 
  3. Touristen sind als zahlungskräftige Zielgruppe von tragender Bedeutung. 
  4. Verwaltungsangestellte sowie die Stadtmarketingorganisationen stellen die vierte wichtige „interne Zielgruppe“ des Stadtmarketings dar.

Übertragen auf die Öffentlichkeitsarbeit von Parteien bedeutet das: Die vier Zielgruppen sind

  1. ["Einwohner" => Gesamtheit der Anwesenden] Die Mitglieder der Partei - eingeschlossen potenzielle - d. h. als Mitglied gewinnbare Menschen - oder wenigstens Sympathisanten und Stammwähler.
  2. ["Unternehmer" => aktiver Kern] Mandatsträger und Funktionäre - die das politische Geschäft am laufen halten - ebenfalls mit Blick auf zukünftige Kader.
  3. ["Touristen" => interessierte Gäste] Wechselwähler = "Gelegenheitssympathisanten" (denen - wenigstens - eine politische Botschaft der Partei gerade in den Kram passt)
  4. ["Verwaltungsangestellte" => interne Netzwerke] Politisches Personal, das seinen Lebensunterhalt mit Hilfe der Partei bestreitet und motiviert bleiben sollte, sofern es nicht schon unter Nr.2. fällt, was oft und gern angestrebt wird.

Mit weniger feierlichen Worten:

  1. Parteisoldaten und alle gutgläubigen Mitglieder und Sympathisanten, die sich nicht vorstellen wollen, dass parteintern noch irgend etwas zu verbessern wäre, weil alles schon zum Besten steht. Sie wollen Bestätigung und Hoffnung. Den Glauben besitzen sie schon.
  2. Charrierismatische Personen, an die das Mitglied und der Wähler gleichermassen glauben möchten, weil sie halbwegs überzeugend rüber kommen. - Sehr schön dargestellt von Loriot (Bundestagsrede etc.). Autoritäre (Rot-Typen) von der Bio-Struktur her. Kurz: Leute, die wissen, wie man auf Wahlparteitagen und Delegiertenversammlungen Mehrheiten gewinnt. Sie wollen Rückhalt und Gefolgschaft.
  3. Politische Laufkundschaft. Will Informationen zur eigenen Urteilsbildung - bezüglich eigener Interessen, auch zur Bestätigung.
  4. Die Gruppe der Bediener von Unterschriftenautomaten für Briefe an Fidel Castro etc. Ein Personal, dessen Macht über das Ansehen der Partei seinen politischen Weitblick gelegentlich krass übersteigt, das daher bei Laune gehalten - und auf einen konstistenten Wissensstand gebracht werden muss. Klingt möglicherweise hoffnungslos - ist aber wegen der Wirkung sehr wichtig. Sie wollen Lob und Dank.

Fazit

Ohne vollständige Klarheit über diese Zielgruppen und ihre Interessen werden sich Parteijournalisten, Webmaster und Wandzeitungsredakteure auch weiterhin beständig fragen:
  • ob man "das" denn veröffentlichen kann. -  Die politische Konkurrenz* tut es auf jeden Fall - in ihren Medien, sobald sie dieser Nachricht habhaft wird!
  • ob ein gelegentliches Aufwirbeln von Staub bei Reinigungsarbeiten nicht als Nestbeschmutzung ausgelegt werden könnte. - Der Schmutz ist oftmals eigener Dreck, der ausgekehrt gehört.
  • ob "das" die Leser nicht überfordert. - Man soll nie von sich auf andere schliessen. Jede Information (falls es eine ist**) findet auch jemanden, der sie zu verstehen weiss.
  • ob die Thematik "uns" nicht eventuell schaden könnte. - Wenn sie erst andere in die Hand nehmen, schadet sie uns garantiert. Für unsere Themen haben wir unbedingte Kompetenz zu zeigen - oder es sind nicht die unseren. 
  • usw.
Geschrieben ist dieser Text - als Werkzeug - für interessierte Rote Reporter - nicht nur in Sachsen. Aber mit Werkzeugen ist es so eine Sache. Der Bettelknabe in der Rolle des Prinzen benutzte das königliche Staatssiegel zum Nüsseknacken. Und ich versichere, die Nüsse wurden damit ganz vorzüglich geknackt. Anders kann es gar nicht sein.

xx

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Fussnoten:
* Politische Konkurrenz will uns politischen Boden abgewinnen, unseren Besitz - die Wähler für sich haben. Politische Gegner wollen uns gleich ganz von der Bildfläche weg haben. Teils überschneidet sich das, aber nicht vollständig.
** Eine Information (Nachricht) ändert meine Einstellung zum heutigen Tag.  Alles andere ist Datenmüll. (sinngemäss nach V. F. Birkenbihl).

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